Rehe haben etwas feenhaftes. Ich empfinde sie als Zauber des Waldes. Kaum zu hören, wenn man nicht darin geübt ist, ihre Geräusche wahrnehmen zu können oder sie überhaupt erst einmal zu kennen. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich einen Rehbock (das männliche Tier) Alarm schlagen hörte. Es hört sich ähnlich (aber doch wieder ganz anders) an, wie das Bellen eines Hundes. Da es schon spät am Abend bei Dunkelheit war, hat es mich ziemlich erschreckt. Ich konnte nicht wissen was es war. Später erfuhr ich, dass dies ein Ruf des Bockes ist, wenn er nicht richtig einschätzen kann, was ihn da beunruhigt. Diesen Alarmruf nehmen nicht nur die anderen Rehe in der Umgebung auf, sondern der ganze Wald. So wie alle Tiere die Vogelstimmen als Hinweis aufnehmen, was etwas entfernter von ihnen vor sich geht. Wenn ihr solch ein Bellen hört, seid leise und achtet darauf, was sich dadurch in dem Augenblick im Wald verändert.

Ein Rehkitz wird erwachsen:

Ich hatte das unglaubliche Glück, in einem Jahr das Aufwachsen eines Rehitzes miterleben zu dürfen. Bei einem Pirschgang hörte ich ein Fiepsen aus dem hohen Gras, welches ich schon ein Jahr zuvor gehört hatte und zuerst als das eines Vogels interpretiert hatte, bis ich das schon ältere Rehkitz auf einem Wald- und Wiesenweg entdeckte (s.u.). Daher wusste ich, das muss ein kleines Kitz sein. Auch die Jahreszeit war entsprechend. Leise ging ich auf das Fiepsen zu. Da ich einige Minuten zuvor ein Reh im Wald ganz in der Nähe sehen konnte, vermutete ich, dass das Kitz gerade allein ist und nach der Mutter ruft. Zwar war ich ganz in der Nähe des Fiepsens, aber ich konnte das Kitz nicht finden. Eine Weile wollte ich mich hinsetzen und warten....

Als ich im Sitzen das Kitz nicht ausmachen konnte, wollte ich gerade wieder gehen, um die Mutter nicht zu beunruhigen. Mit einem der ersten Schritte wäre ich fast auf das Kitz getreten - so klein ist es und liegt etwas versteckt. Ich konnte mich nicht  zurückhalten und musste ein paar Fotos machen. Es musste ganz frisch geboren sein, denn es war noch feucht und hatte eine Haut über den Augen. Und es war von der Geburt noch sehr müde. Nach ein paar Fotos machte ich mich aus dem Staub, um der Mutter wieder das Revier zu überlassen. Ich versprach aber bald wieder zu kommen und hoffte, dem Kitz beim Aufwachsen zuschauen zu können...

Schnell wurde es größer. Immer in der Nähe seiner Mutter. Allerdings wurde die Distanz zwischen beiden zunehmend größer. Sie schliefen sogar einige Meter (ca. 20) voneinander entfernt am Waldrand. Oder die Mutter war schon aufgestanden und hatte sich fortbewegt, als das Kitz 5 Meter vor mir aus dem Wald auftauchte.

In diesem Jahr hielt ich mich bei meinen Tierbeobachtungen immer im selben Waldgebiet auf und begegnete immer wieder dem Kitz mit seiner Mutter. Still sitzend liefen sie zumeist die gleiche Strecke und ich konnte sie still sitzend immer wieder beobachten. Ob sie mich akzeptiert haben ? Vielleicht flüchtete das Kitz aber auch nur deshalb nicht vor mir, weil es noch keine schlechten Erfahrungen mit dem Menschen gemacht hat. Ich konnte es daher sehr nah beobachten. Ob es zu mir gekommen wäre, wenn ich es angesprochen hätte ? Das möchte ich im nächsten Jahr versuchen, wenn ich wieder das Glück habe, ein Kitz zu finden.

Ob dieser Rehbock der Papa ist, werde ich wohl nie erfahren.

Aber dies hier ist die Mama, weil sie einige Monate um das erwachsen werdende Rehkitz herumstreunerte. Vielleicht treffen sie sich heute noch immer im Verlaufe des Jahres und tun sich im Herbst wieder zusammen, wenn sie beide überlebt haben. Straßenverkehr und der Mensch sind gefährliche Widersacher, wenn es um die Frage des Überlebens geht. Wobei diese schönen Geschöpfe des Waldes nicht wirklich die Lebensgrundlage des Menschen bedrohen. Ich bin mir sicher, wenn man sie einfach nur leben ließe, ohne ihnen mit böser Absicht nachzustellen, dann würde ihr Population gerade so groß, dass Mensch und Tier im Einklang miteinander leben könnten und der Verbiss der Jungbäume würde sich so in Grenzen halten, dass wir sicherlich in vielen Jahren nicht in einer Steppe leben würden. Das Abholzen der Wälder zum Wohle der Agrarwirtschaft vernichtet jedes Jahr mehr Bäume, als die Rehe jemals essen können. Der Wind, und Regen vernichten pro Jahr mehr Getreidefelder, als Tiere uns "wegfressen" könnten. Hierfür gibt es ausreichend Hinweise und Erfahrungen, welche jedoch manche nicht wahr haben wollen.

Aus früheren Jahren:

Nachdem ich einige Tage bei den Rehen oder Wildschweinen wenig Glück hatte (es sind wohl in diesen Zetiten zu viele Leute in der freien Natur), setzte ich mich früh morgens vor Sonnenaufgang hoffnungsfroh an eine andere Stelle in einem "meiner" Gebiete (allein dürfen wir in diesen Krisenzeiten hier ja raus - sogar zu zweit oder mit der gesamten Großfamilie ;-)). Es ist immer wieder unbeschreiblich schön, wie die Sonnenstrahlen milchig und zart langsam über die mit Morgentau befeuchtete Wiese gleiten und einen immer größeren Bereich erhellen. Die Farben ändern sich minütlich. Nun, kurz nach Sonneaufgang ist die kälteste Zeit des Tages. Dann weiß ich jedes Mal neu, warum ich so früh aufgestanden bin.

Ich saß angelehnt mit einem kleinen Tarnschaal über dem Kopf an einen fest gepressten, in Folie "eingeschweißten" Heuballen, als plötzlich in 10 Meter Entfernung die Blätter eines jungen Baumes zu wackeln begannen. Ein Vogel, die schon zu zwitschern begannen, konnte es nicht sein, die Bewegungen der Zweige waren zu ausladend. Also nahm ich die Kamera hoch und wartete gespannt. Eigentlich zu dunkel für gute Bilder (1/125 Sek). Mehr Iso wollte ich nicht, weil ich nicht damit rechnete, dass hier "neben mir" ein Reh austritt. Ich hatte vermutet, wenn dann drüben auf der anderen Seite in der Sonne, um sich an diesem noch immer kalten Morgen zu wärmen. Irgendwie schien der Rehbock, der da aus dem Unterholz neben einer S-Bahnlinie heraus kam noch etwas verschlafen zu wirken, als er so an mir vorbei zog.

Mittlerweile musste ich mein 400er Zomm etwas einfahren, um ihn ganz ins Bild zu bekommen. Er schien mich nicht zu sehen, als er sich plötzlich zu mir umdrehte und mich neugierig anschaute. Vielleicht sah ich aus wie in zweiter Heuballen (gewichtstechnisch könnte man es meinen ;-)) oder er war so risikofreudig, dass er aus ca. 6 m Entfernung nicht davon sprang. Er versuchte mich zu wittern, aber der Heuballen roch so stark, dass er meinen Menschengeruch "übertönte". Zudem war wenig Wind und das erriechen schien ihm nicht möglich zu sein.

Er kam immer näher heran. Bals hätte ich ihn berühren können. Schade eigentlich. Wie sich wohl sein Fell anfühlt ? Ob es eher hart oder weich, warm oder kalt ist ?

Er sprang nicht weg, sondern hielt sich eine ganze Weile noch vor den beiden Heuballen auf und wog seinen Kopf und Körper immer wieder hin und her (war wohl irgendwie doch etwas aufgeregt). Erst nach gefühlten 15 Minuten (waren vielleicht 2), trollte er sich langsam so zur Seite, dass ich ihn, nun hinter dem Ballen sitzend, nicht mehr sehen konnte. In der Annahme, dass noch weitere Rehe aus dem Unterholz kommen könnten, blieb ich still sitzen und wartete.

Kurze Zeit später kam der Bock wieder zurück, er wollte noch einmal nach mir schauen und versuchte heraus zu finden, was ich bin. Zum Glück (oder auch nicht) hat er nicht an mir geschleckt. Wäre es nicht doch schön, wenn er, wie ein Hund es tut, um seine Zuneigung zu zeigen, an mir geschleckt hätte ?

Es war heute wieder ein genialer Tag. Zwar etwas kalt, aber sehr ruhig im Wald (Keine Spaziergänger). Ich suchte die Nähe des Schlafplatzes der Rehe auf, um mich dort am Wechsel zum Schlafplatz zu positionieren. Der Boden war so harschig, dass ich jeden Tritt der Tiere (auch die Mäuschen) hören konnte. Natürlich durfte ich mich dabei nicht bewegen. Ich setzte mich so an einen Baum, dass dessen Konturen mit meinen verschwammen (so sehen mich die Tiere schlechter - also nicht hinter einem Baum verstecken). Gleichzeitig achtete ich darauf, dass der Wind gegen mich anstand und die möglicherweise erscheinenden Tiere gegen sie Sonne in meine Richtung schauen mussten. So lässt sich auch erklären weshalb das Reh mich nicht wahrnehmen konnte. Ich hörte nach einer Stunde links neben mir Laufgeräusche von mindestens zwei Rehen. Nun bloß nicht umdrehen oder bewegen. Entgegen meiner Befürchtung tapsten sie langsam nicht in den Wind, sondern machten einen kleinen Bogen um mich herum, um dann in ca. 15 m Entfernung zu mir aus dem Dickicht zu kommen. Endlich standen sie in der Sonne. Die Klickgeräusche meiner Kamera störten sie nicht. Ich rede mir ein, dass sie mich schon kennen. Langsam trotteten sie den noch sichtbaren Weg hinunter, um auf ihren Schlafplatz zu gehen. Dort ließ ich sie natürlich in Ruhe.

Nachdem ich letztes Wochenende Ferkelspuren entdeckt hatte, wollte ich gestern mein Glück noch einmal versuchen. In der Nähe der selben Stelle konnte ich die Wildschweine riechen (mittlerweile kann ich den Geruch der Schweine erkennen), dann blieb ich eine ganze Weile still stehen und konnte sie dann auch hören. Als ich näher schlich (war schwierig wegen dem raschelnden Laub) sah ich 3-4 Ferkelchen hinter der Mama hertippeln, aber leider in unfotogenem Unterholz und auf Abmarsch eingestellt. Also versuchte ich es heute an der gleichen Stelle noch einmal. Aber diesesmal kein Geruch keine Bewegungen oder Geräusche :-( Plötzlich sprang mir ein Reh entgegeen. Ich blieb reglos am Unterholz stehen und es verschwand so leise im Wald wie es gekommen war (es ist immer wieder erstaunlich für mich wie leise diese Zehengänger auf ihren Sohlen sind). Ich dachte mir, dieses Reh habe ich nur selten allein in diesem Wald gesehen, ging auf die Knie, machte meine Kamera bereit und wartete ein paar Sekunden und tatsächlich: der Rehbock sprang mir aus der gleichen Richtung entgegen. Ca. 20 m vor mir ließ er es auslaufen und "schlich" sich an das Ding, welches da im Unterholz kniete auf ca. 10 m heran. Er stellte die Ohren in meine Richtung versuchte mich zu wittern (aber ich bin doch nicht blöd ;-) und verschwand nach ein paar Aufnahmen im Unterholz. Sichtlich beeindruckt schaut ich noch eine Weile durch die Linse (zum Glück) und konnte ihn sehen, wie er noch einmal aus dem Unterholz zurück kam und nach mir schaute. Dabei entstand nun dieses Bild.

Eine Jagdveranstaltung ganz in der Nähe ließ die Rehe und Rehböcke und alle anderen Tiere aufschrecken. Sie rannten unablässig hin und her und wussten nicht wohin. Ich habe den Jägersmann, den ich an diesem Tag traf wohl falsch oder nicht verstanden, als er meinte, sie würden heute schießen, damit wieder etwas Ruhe in den Wald einkehrt.

So sieht es aus, wenn "Ruhe" in den Wald einkehrt.
So sieht es aus, wenn "Ruhe" in den Wald einkehrt.

Hier waren die Rehe noch "handzahm", zutraulich und neugierig. Das Klicken der Kamera schien die Ricke anzulocken.

Auf einem Wolftracking-Seminar habe ich mich mich früh morgens dort hin gesetzt, wo wir tags zuvor viele Trittsiegel gefunden hatten... Noch bei Dämmerung pirschten sich Rehe an...