Dachse

Einige Abende verbrachte ich bei den Dachsen. Sie zeigen sich zumeist in der Abenddämmerung. Wenn die Bäume im zeitigen Frühjahr noch keine Blätter tragen, ist das Licht am versteckten Dachsbau noch so, dass man einigermaßen ansehnliche Fotos machen kann. Im Gegensatz zur Meinung, dass es sich um scheue Tiere handelt, finde ich, dass sie verständlicherweise nur vorsichtig sind. Haben sie sich einmal an deine Anwesenheit gewöhnt und zeigst du Friedfertigkeit, indem sich dein Herz ihnen gegenüber öffnet, dann spielen sie um dich herum und zeigen auch Interesse an dir ... siehe eines meiner Erlebnisse weiter unten...


Zuerst saß ich an einen Baum gelehnt in ca. 15 Meter Entfernung unter meinem Tarnnetz. Durch ein Buch gewarnt, setzte ich mich aber nicht ins Sichtfeld des Bauausgangs. Später, nach einigen Besuchen konnte ich das Tarnnetz sogar weg lassen und den Sitzplatz wechseln, während die Dachse vor dem Bau spielten. Zwar nahmen sie Notiz von mir, aber waren nicht gestört. 8-12 Dachse kletterten jeden Abend aus dem Bau. 3 Generationen gingen ihren Aktivitäten nach.

Jeden Abend kam zuerst der Papa (Rüde) heraus, schüttelte 2-3 Mal und verschwand dann für die gesamte Nacht im Wald. Nur im Frühjahr, als die Winterruhe vorbei war, half er ein wenig im Haushalt. Holte wie die Mutter, mit viel Lärm, frisches Laub herbei und ward nach 3-4 Aktionen nicht mehr gesehen. Die Mutter vergrößerte mit viel Elan einen Eingang und man konnte schön sehen, wie die Furche vor dem Bau durch das Rein und Raus immer tiefer wurde. In der Zwischenzeit erschienen auch die Jährlinge und ein wenig später auch die "frisch" geborenen Dachskinder, die noch ein weicheres, flauschig aussehendes und  weniger kontrastreiches Oberfell haben. Es ist kaum zu glauben, wie schnell die behäbig wirkenden Tiere sein können, wenn sie einander hinterherjagen. Ich dachte mir: "denen möchte ich nicht davon laufen müssen". Später am Abend (eigentlich schon in der Nacht) verlassen die Einjährigen bzw. schon älteren Dachse allein oder mit der Mutter die Umgebung des Dachsbaus, um sich Nahrung zu suchen. Die Frischlinge sah ich noch nicht davon laufen, sondern sie gingen in den Bau zurück. Vielleicht warten da Oma und Opa ? Und passen auf sie auf. Sozusagen Babysitting. Jeden Abend konnte ich den gleichen Ablauf beobachten.

Mein schönstes Dachserlebnis:

 An einem Abend saß nicht unter dem Tarnnetz, sondern unter einer Glocke von Moskitos und versuchte mich erfolglos gegen die Stiche zu wehren. Als sich ein schon ausgewachsener Dachs aus der spielenden Gruppe löste und sich von einem Baum zu anderen zielstrebig, aber doch den Eindruck erweckend, kein Interesse an mir zu haben, auf mich zubewegte. In der Zwischenzeit konnte ich etwas ruhiger sitzen, da sich die Moskitos aufgrund des Temperaturrückgangs etwas beruhigt hatten. Die letzten 5-6 Meter zeigte der Dachs kein Interesse mehr an den Bäumen, die er nur scheinbar und zur "Tarnung" umstreift hatte, sondern lief schnurstracks auf mich zu. Einen Meter vor mir hielt er an. Ich hätte ihn streicheln können, war aber so überrascht, dass ich nur wie versteinert da saß und wir uns kurz anschauten. An Fotos war aufgrund der Dunkelheit nicht mehr zu denken, aber das Zwielicht reichte aus, um tief in seine neugierigen Augen zu schauen. Total "von den Socken" blieb ich ruhig sitzen. Hoffentlich hat mir sonst niemand zugesehen oder zugehört, denn ich begann mit ihm zu reden: "ich bin der Günther, wie heißt denn du ? Du bist ein stattlicher Kerl und möchtest wohl mit mir spielen". Den weiteren Gesprächs- bzw. Monologinhalt erspare ich mir, bevor es noch peinlicher wird. Der Dachs (ich nenne ich Fridolin) neigte den Kopf zuerst eine Weile nach rechts, dann nach links. Gefühl standen wir uns eine halbe Stunde so gegenüber (sicherlich war es höchstens 1 Minute, die wunderschön lang war), bis er sich langsam umdrehte, die ausgelassenen Bäume ganz in meiner Nähe beschnupperte und sich wieder unter Seinesgleichen mischte. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Nicht aus Angst, sondern aus Freude, von den Dachsen so freundlich aufgenommen zu worden zu sein. Auch wenn diese wehrhaften Tiere Pranken habe, mit denen ich keine Bekanntschaft machen möchte, zeigt dieses Erlebnis wieder einmal: wenn man den "Wildtieren" nichts Böses will, warten kann, bis sie von sich aus Interesse zeigen und die Fluchtdistanz einhält, muss man keine Angst vor ihnen haben. Sie bedrohen den Menschen nicht, sondern wenn, dann bedroht der Mensch sie und sie wehren sich. Wer würde dies nicht tun ? Wie gerne würde ich wirklich mit ihnen sprechen können.